Kurze Wiederholung: Poincarégruppe und Quantenmechanik
Versuchen wir, analog zum Fall Spin gleich Null aus dem vorherigen Kapitel
nun den Fall Spin 1/2 genauer zu untersuchen.
Hier nochmal die notwendigen Zutaten in Kürze (Details siehe Kapitel 4.10
und Kapitel 4.11):
Unitäre Darstellung der Poincaregruppe auf Einteilchen-Zuständen
mit Impuls und Spinkomponente :
Skalarprodukt:
Dabei war die Wigner-Rotation ein Element der kleinen Gruppe,
die einen Standard-Viererimpuls invariant lässt.
Die Impulsamplitude und ihr Transformationsverhalten
hatten wir so definiert:
Auch ist ein (anderes) Element der kleinen Gruppe.
Ein einfacheres Transformationsverhalten ergibt sich, wenn wir
zu den Feldern übergehen
mit
(also positiver Energie):
so dass
Die Matrix gehört dabei zu einer Lorentztransformation , die den Standardvektor
in umwandelt (braucht man beim Übergang
zur kleinen Gruppe, siehe Kapitel 4.10 ).
Die Darstellungsmatrix muss übrigens nicht unitär sein.
Das Skalarprodukt mit Hilfe der
Felder ausgedrückt lautet:
Wir können also als Impuls-Wahrscheinlichkeits-Dichte interpretieren:
Fouriertransformation zu Raumzeit-abhängigen Feldern (positiver Energie) ergibt:
mit in der unteren Zeile,
der Normierung und der Minkowski-Metrik .
Auf diesen Feldern haben wir die folgende Darstellung der Poincaregruppe:
Felder mit Spin 1/2 und Masse > 0
Wenden wir wie schon im vorherigen Kapitel diese Formeln auf den Fall mit Gesamtspin 1/2 und positiver Masse an.
Analog zum vorherigen Kapitel schreiben wir wieder ein tiefgestelltes -Zeichen bei den Feldern,
um klarzumachen, dass
mit positivem Vorzeichen festgelegt ist (so können wir später wieder den Fall mit negativem Vorzeichen
durch ein tiefgestelltes Minus-Zeichen darstellen).
Statt schreiben wir und statt mit
schreiben wir oder auch
(wir unterscheiden also zur Vereinfachung in der Schreibweise
nicht zwischen und der Fouriertransformierten , da dies
durch das Argument klar ist).
Bleibt die Frage, was wir für eine Darstellungsmatrix wählen sollen.
Am Ende von Kapitel 4.10 hatten wir untersucht, welche Möglichkeiten es
hier gibt. Für Spin 1/2 gibt es zwei Möglichkeiten:
Für Drehungen aus sind beide Fälle identisch.
Bei Boosts dagegen ist die zweite Matrix invers zur ersten.
Der Fall :
Schauen wir uns zuerst die
einfachere Möglichkeit an.
Sie entspricht der ersten Fundamentaldarstellung.
Fassen wir die obigen Formeln in der neuen Schreibweise noch einmal zusammen
(dabei ist in den Formeln überall
):
Man kann in diesen Formeln die -Boostmatrix explizit mit Hilfe der Pauli-Matrizen
ausdrücken. Sammeln wir dazu noch einmal die Details aus Kapitel 4.10 , die wir
über die kleine Gruppe bei positiver Masse kennengelernt haben:
Zur -Matrix gehört die Lorentz-Matrix ,
die aus dem Standardvektor den Vektor macht:
Da wir uns hier auf den Fall positiver Masse (ungleich Null) beschränken, können wir
wählen, also den Viererimpulsvektor im Ruhesystem als Vergleichsvektor nehmen.
Zusätzlich verwenden wir wieder die Konvention, dass ein Boost sein soll.
Entsprechend ist eine hermitesche Matrix.
Der Zusammenhang zwischen einer Lorentzmatrix und der
zugehörigen -Matrix ist über
gegeben mit
Dabei ist die 2-mal-2-Einheitsmatrix
und
sind die Pauli-Matrizen. Wir schreiben auch
Setzen wir für den Vektor ein,
für die Matrix
und für das zugehörige , so haben wir
Für ist dabei auf der linken Seite .
Weiter ist rechts . Und schließlich ist hermitesch,
d.h. . Insgesamt ergibt sich so die Gleichung
oder kurz
oder gleichwertig dazu
Statt kann man auch die Vierergeschwindigkeit verwenden, denn .
Nun tritt im Skalarprodukt oben aber nicht , sondern auf.
Dafür bieten sich die Matrizen
an,
die wir in Kapitel 4.11 kennengelernt haben
(siehe die Weyl-Darstellung der -Matrizen dort).
Es gilt nämlich
so dass
ist
und damit
Also ist
oder gleichwertig dazu
Im Skalarprodukt oben tritt nun gerade dieser Term auf
(das Kreuz können wir weglassen, denn wie ist auch hermitesch).
Fassen wir die obigen Formeln daher noch einmal zusammen:
Der Fall :
Schauen wir uns nun die
zweite Möglichkeit an.
Sie entspricht der zweiten Fundamentaldarstellung.
Um diesen Fall von dem vorhergehenden besser unterscheiden zu können, wollen wir statt
den Buchstaben für das Feld verwenden.
Damit haben wir
(dabei ist in den Formeln überall wieder
):
Für die hermiteschen Boostmatrizen können wir wieder schreiben:
Im Skalarprodukt schreiben wir entsprechend
und erhalten damit:
Zusammenhang zwischen den beiden Fällen:
Es ist bisher vollkommen unklar, warum es zwei und nicht nur eine Möglichkeit gibt.
Bisher wissen wir nur: Die Darstellungstheorie bietet diese zwei Möglichkeiten, d.h.
es gibt Felder, die sich mit transformieren, während
andere Felder sich mit
transformieren.
Bei Drehungen sind beide Fälle identisch, denn für ein unitäres ist
.
Deshalb ist in beiden Fällen der Spin gleich 1/2, denn
dieser ist über das Drehverhalten definiert.
Unterschiede gibt es dagegen bei Boosts:
Wenn ist, dann transformieren sich die Felder im ersten Fall mit
, während sie sich im zweiten Fall genau invers dazu transformieren:
.
Die Felder transformieren sich bei Boosts in beiden Fällen also invers zueinander, bei Drehungen
dagegen gleich zueinander. Was aber bedeutet das für die Quantenzustände?
Schauen wir uns dazu noch einmal die entsprechende Transformationsformel von oben an:
Dabei ist ein Element der kleinen Gruppe. Aus Kapitel 4.10 wissen wir, dass
die kleine Gruppe alle Lorentztransformationen (bzw. die zugehörigen -Matrizen)
umfasst, die einen vorgegebenen Viererimpuls-Standardvektor
unverändert lassen. Zu jedem gibt es dann ein , das durch
definiert ist.
Dabei gehört zur Lorentzmatrix, die in umwandelt.
Bei Teilchen mit Masse wählen wir , also den Viererimpuls
im Ruhesystem des Teilchens. entspricht dann einem Boost, und ist aus und entspricht einer
Drehung im Ruhesystem. In Kapitel 4.10 hatten wir gezeigt, dass
für eine Drehung das zugehörige
aus der kleinen Gruppe gerade gleich der Drehung ist.
Da aus ist, ist
d.h.
sowohl bei der ersten als auch bei der zweiten Fundamentaldarstellung
transformieren sich die Quantenzustände genau gleich.
Die beiden Fälle unterscheiden sich nur durch die Art, wie aus den Impulsamplituden
die Felder definiert werden.
Im ersten Fall tun wir dies über
und im zweiten Fall über
Dadurch ergibt sich jeweils das unterschiedliche Transformationsverhalten der Felder.
Man kann aber die beiden Felddefinitionen ineinander umrechnen.
Wenn wir von derselben Impulsamplitude ausgehen,
so erhält man nämlich durch Freistellen
der obigen beiden Formeln nach die Gleichung
und somit die beiden zueinander gleichwertigen Beziehungen
Diese Beziehung müssen die beiden Felder
und erfüllen, wenn sie zur selben Impulsamplitude
und damit zum selben Quantenzustand gehören sollen.
Genau diesen Zusammenhang werden wir bei den Lösungen der Diracgleichung wiederfinden!
Nochmal zur Erinnerung: Das gilt alles nur bei Masse größer als Null
(wir teilen ja auch durch ) und
in den Formeln ist überall
.
Die Diracgleichung
Wie in Kapitel 4.12 bei der Klein-Gordon-Gleichung
wollen wir nun wieder den Weg umkehren: Wir starten mit irgendwelchen Feldern
und und versuchen, Gleichungen für diese Felder zu formulieren, so dass
wir sie in Beziehung zu den Impulsamplituden und damit zu Einteilchen-Quantenzuständen
setzen können. Dafür wird wieder die Masse als Parameter in der Gleichung wichtig sein.
Wie im skalaren Fall definieren wir zunächst eine Darstellung auf den Feldern,
die analog zu der oben hergeleiteten Darstellung aufgebaut ist:
Und vollkommen analog zum skalaren Fall können wir die Klein-Gordon-Gleichung
separat für beide Felder fordern, um bei der Fouriertransformation
sicherzustellen:
mit dem Impulsoperator
Damit sehen die Fourierintegrale für beide Felder analog zum skalaren Fall aus,
und wir können die entsprechenden Formeln vom skalaren Fall aus Kapitel 4.12 direkt übernehmen:
Es treten also wie im skalaren Fall wieder negative Energien auf, was nicht überascht, wenn man
dieselbe Gleichung fordert.
Aber etwas kommt bei Spin 1/2 noch hinzu:
Wir haben zwar zwei mögliche Feldtypen (bezogen auf die Darstellung der Poincaregruppe),
aber wir haben auch einen Zusammenhang zwischen den beiden Feldtypen, den diese erfüllen müssen, wenn sie
zur selben Impulsamplitude und damit zum selben Quantenzustand gehören sollen
(siehe oben):
(mit
,
beide Gleichungen sind äquivalent, wie wir wissen).
Diese Gleichungen lassen sich sicherstellen, wenn wir für
und Folgendes fordern:
wieder mit dem Impulsoperator .
Überprüfen wir es: Einsetzen der Fourierintegrale für und
ergibt nach kurzer Rechnung:
Die oberen beiden Gleichungen sind das gewünschte Ergebnis, und die unteren beiden Gleichungen sind das
Gegenstück dazu für negative Energien.
Interessant ist: Die beiden Gleichungen
beinhalten automatisch die Klein-Gordon-Gleichung von oben,
die wir also nicht mehr separat fordern müssen.
Um das zu sehen, setzen wir beispielsweise die erste Gleichung
in der zweiten Gleichung rechts ein:
Multiplikation mit ergibt die Klein-Gordon-Gleichung für .
Analog erhält man auch die Klein-Gordon-Gleichung für .
Man fasst nun gerne die beiden Gleichungen zu einer einzigen Gleichung zusammen, indem
man die beiden zweikomponentigen Felder und zu einem vierkomponentigen Feld
zusammenfasst (Vorsicht: dies ist nicht das Feld von ganz oben):
Man bezeichnet das Feld als Dirac-Spinor,
als Weyl-Spinor und
als konjugierten Weyl-Spinor.
Zusätzlich definiert man die 4-mal-4-Operatormatrix
d.h. es ist
mit
Mit dieser Notation lassen sich die beiden Gleichungen nun leicht zur sogenannten Dirac-Gleichung
zusammenfassen:
Dirac-Gleichung:
Die Lösungen dieser Gleichung haben wir oben bereits ermittelt.
In der Schreibweise mit dem Diracspinor lauten sie
mit
und
Die Matrizen in der Diracgleichung
kennen wir aus Kapitel 4.11 :
Es sind die Diracmatrizen in der Weyl-Darstellung.
Diese Matrizen sind eine spezielle Matrixdarstellung für die
Generatoren der Clifford-Algebra der Minkowski-Raumzeit,
wie wir dort gelernt haben.
Daher gilt die universelle Eigenschaft dieser Clifford-Algebra
mit der
Minkowski-Metrik (kann man natürlich nochmal explizit nachrechnen).
Insbesondere ist
Damit können wir leicht erneut zeigen, dass aus der
Diracgleichung
die Klein-Gordon-Gleichung
für folgt:
Wir multiplizieren die Diracgleichung mit und erhalten
Links verwenden wir
und rechts setzen wir wieder die Diracgleichung ein.
Ergebnis:
Historisch entwickelte Paul Dirac die Diracgleichung, um anders als bei der Klein-Gordon-Gleichung
eine positiv definite Wahrscheinlichkeitsdichte aus der Nullkomponente eines Viererstroms gewinnen zu können.
Wir werden gleich sehen, ob das hier gelingt.
Dazu strebte er eine Gleichung mit einer einfachen (statt zweifachen) Zeitableitungen an,
analog zur Schrödingergleichung.
Tatsächlich enthält die Diracgleichung nur eine erste Ableitung in der Zeit, so wie von Dirac angestrebt.
Dirac ging dabei so vor: er machte den Ansatz
und forderte von dem noch unbekannten Objekt , dass
sein Quadrat gleich sein müsse, damit er die Klein-Gordon-Gleichung reproduzieren konnte
(wie oben gezeigt). Das führte ihn auf die universelle Eigenschaft der Raum-Zeit-Clifford-Algebra
Paul Dirac (1902 - 1984) im Jahr 1933
Quelle: Wikimedia Commons
File:Paul Dirac, 1933.gif, Public Domain
Aus heutiger Sicht ist es gar nicht notwendig, aus den Feldern direkt eine positiv definite Wahrscheinlichkeitsdichte
zu konstruieren. Wir haben ja in Kapitel 4.10
ganz allgemein gesehen, wie die Felder sich in Impulsamplituden umrechnen lassen
und wie sich dadurch schließlich eine positiv definite Wahrscheinlichkeitsdichte konstruieren lässt, wobei
positive und negative Energien getrennt betrachtet werden müssen.
Für die Diracgleichung werden wir das gleich nochmal explizit
durchführen.
Den eigentlichen Unterschied zwischen Dirac- und Klein-Gordon-Gleichung haben wir bereits
durch die Art ihrer Konstruktion deutlich gemacht: Quantenzustände mit Spin 0 führten zur Klein-Gordon-Gleichung,
Quantenzustände mit Spin 1/2 führen zur Dirac-Gleichung. Entsprechend beschreibt die Klein-Gordon-Gleichung Felder mit Spin Null,
die Dirac-Gleichung Felder mit Spin 1/2. Das hatte Dirac zunächst gar nicht beabsichtigt,
aber es kam bei seiner Konstruktion einer relativistischen Differentialgleichung erster Ordnung nebenbei heraus.
Oben hatten wir das Transformationsverhalten der Felder vorausgesetzt und dann die dazu passende Diracgleichung
konstruiert. Wir können leicht nachrechnen, dass
wenn
eine Lösung der Diracgleichung ist,
dass dann auch
eine Lösung der Diracgleichung ist – so hatten wir ja die Diracgleichung konstruiert.
Es bietet sich an, die Schreibweise aus Kapitel 4.11
für dieses Transformationsgesetz zu verwenden (in der Weyl-Basis für die Diracmatrizen):
mit der Matrix
Umgekehrt erzwingt die Diracgleichung (in der Weyl-Basis) sogar die obige Form von
und legt damit fest, dass wir es mit Spin 1/2 zu tun haben.
Schauen wir uns dazu die Details an:
Am Einfachsten geht es, wenn wir für das allgemeine Fourierintegral einsetzen
(vergleiche den skalaren Fall in Kapitel 4.12 ) und so die
Diracgleichung im Impulsraum aufstellen:
Natürlich ist hier (anders als im skalaren Fall) ein vierkomponentiges Objekt
analog zu . Im Impulsraum lautet die Diracgleichung dann:
und für das Transformationsverhalten von bei Lorentztransformationen gilt
(die hier unwichtigen Translationen lassen wir weg):
Wir fordern nun: Wenn eine Lösung der Diracgleichung im Impulsraum ist, so soll
auch eine Lösung sein:
Einsetzen von ergibt:
Wir setzen nun und lassen den Strich wieder weg:
Rechts können wir nach der Diracgleichung durch
ersetzen ( vertauscht als Zahl mit der Matrix ):
Da diese Gleichung für beliebige gelten soll (sofern sie Lösungen der Diracgleichung sind),
müssen die darauf angewendeten Matrizen gleich sein, d.h. es gilt
Multiplikation von rechts mit ergibt:
Das ist genau die Gleichung für die Spin-Gruppe der Lorentzgruppe, wie wir sie
aus Kapitel 4.11 kennen. Dabei wird die Spingruppe durch die Matrizen gebildet,
die über die obige Gleichung jeweils mit einem zusammenhängen. Bei der Minkowski-Metrik ist
die Spingruppe gleich der universellen Überlagerungsgruppe, und wir haben in
Kapitel 4.11 bereits gesehen, dass die Gleichung
äquivalent zur Gleichung
ist, mit der wir
sonst die universelle Überlagerungsgruppe angegeben haben.
Für ergibt sich dabei in Kapitel 4.11 in der Weyl-Basis
die Form, wie wir sie oben angegeben haben. und hängen also eindeutig miteinander zusammen.
Viererstrom und Skalarprodukt
Analog zur Klein-Gordon-Gleichung kann man auch bei der Diracgleichung
wieder einen erhaltenen Viererstrom definieren und über die Null-Komponente
dieses Stroms ein Poincare-invariantes Skalarprodukt gewinnen:
Vierer-Stromdichte für die Dirac-Gleichung:
mit
Das Poincare-invariante Skalarprodukt lautet dann:
Skalarprodukt für Dirac-Spinoren:
Dabei müssen und jeweils eine Lösung der Diracgleichung sein.
Vollkommen analog sieht auch das nichtrelativistische Skalarprodukt für die Schrödinger-Wellenfunktion
(genauer: für den 2er-Pauli-Spinor) bei Spin 1/2 aus, wobei allerdings nur 2 Komponenten hat.
Tatsächlich wird ja aus dem Dirac-Viererspinor
im nichtrelativistischen Grenzfall gleichsam ein Zweierspinor, da
für
und damit
auch
und somit
der Unterschied zwischen und
verschwindet – es wird .
Wie wir direkt sehen, ist das Skalarprodukt positiv definit,
denn für ist der Integrand
positiv. Genau das wollte Dirac
ursprünglich erreichen, und es ist ihm gelungen.
Rechnen wir das Skalarprodukt noch in den Impulsraum um, indem wir
von oben einsetzen und neben der Normierung
noch die Formel
verwenden (siehe
Kapitel 4.10 sowie
Wikipedia: Delta-Distribution ).
Beim Ausmultiplizieren im Integranden tauchen 4 Terme auf, die wir einzeln ausrechnen wollen.
Dabei müssen wir auf das Vorzeichen von bei der Beziehung zwischen und achten
und verwenden daher
die Abkürzungen
Nützlich ist dabei immer wieder die Beziehung
die wir in der jeweils zweiten Zeile der Rechnung für die einfügen.
Legen wir los:
Damit lautet das Skalarprodukt:
Halten wir fest:
Skalarprodukt für Dirac-Spinoren:
Der erste Term entspricht (bis auf den unwichtigen Normierungsfaktor ) genau dem Skalarprodukt,
das wir ganz oben aus dem Skalarprodukt für Quantenzustände bereits hergeleitet haben.
Der zweite Term liefert nun ein separates Skalarprodukt für Felder mit negativen Energien,
ganz analog zur Klein-Gordon-Gleichung. Gemischte Skalarprodukte zwischen Feldern mit positiver und negativer Energie
gibt es wieder nicht, d.h. wir können diese Felder wieder getrennt betrachten, denn es gibt
keine Superpositionen zwischen positiven und negativen Energien, die messbare Auswirkungen hätten.
Das negative Vorzeichen beim zweiten Skalarprodukt bedeutet übrigens nicht, dass dieses Skalarprodukt
negativ definit wäre. Typischerweise ist die führende Nullkomponente
in
ja negativ, was mit dem Vorzeichen zusammen positiv ist.
negative Energien und Quantenzustände
Kommen wir zu den negativen Energien. Wir wollen versuchen, ganz analog zum skalaren Fall
aus dem vorherigen Kapitel vorzugehen, um diese Energien physikalisch zu interpretieren.
Lösungen der Diracgleichung mit negativer Energie wollen wir wieder mit den Impulsamplituden von
Quantenzuständen in Zusammenhang bringen, wobei der Einteilchen-Quantenzustand natürlich wieder
nur positive Energien umfasst.
Zunächst einmal können wir positive und negative Energien wieder getrennt betrachten:
Lorentztransformationen mischen sie nicht,
und im Skalarprodukt treten sie auch getrennt voneinander auf.
Entsprechend hatten wir oben bereits aufgeteilt in
Der Lösungsraum der Dirac-Gleichung zu gegebenem
teilt sich also wieder auf
in zwei irreduzible Darstellungsräume der Poincaregruppe: einen mit positiver und einen mit negativer Energie.
Stellen wir noch einmal den Zusammenhang her zwischen den Lösungen der Diracgleichung mit positiver Energie
und den Impulsamplituden von Quantenzuständen. Ganz oben hatten wir für den Zusammenhang zwischen
Impulsamplitude und Einteilchen-Quantenzustand die Formel
Die Impulsamplitude (als Zweierspinor gedacht,
daher ohne den Index geschrieben) können wir nun wahlweise
mit dem Feld oder dem Feld
in Verbindung bringen (siehe oben).
Wegen der Diracgleichung sind beide Felder ja nicht unabhängig voneinander. Oben hatten wir:
Wir entscheiden uns willkürlich für das Feld .
Außerdem können wir von oben
verwenden, wobei wir wie oben mit ausdrücken, dass die positive Energie ist.
Wir schreiben also:
Sieht nicht schön aus, aber wir wollten ja unbedingt ein Diracfeld hier unterbringen.
Da wir es unten zum Vergleich noch brauchen, schauen wir uns die Formeln noch an,
wenn wir statt verwenden, also schreiben.
Hier können wir dann noch verwenden,
so dass gilt (wir schreiben wieder , um das Vorzeichen von sichtbar zu machen):
Bei den negativen Energien wollen wir genau dieselbe Form der Gleichungen erreichen.
Schauen wir uns dazu noch einmal die Fourierintegrale für an:
In substituieren wir wieder
für alle 4 Impulskomponenten, so dass positiv ist
und mit einer Teilchenenergie identifiziert werden kann.
Eingesetzt im Integral für ergibt das:
Nun müssen wir nur noch komplex konjugieren, um dieselbe Form des Fourierintegrals
wie bei den positiven Energien zu erhalten:
Sind wir damit schon fertig? Nicht ganz, denn es gibt eine Zusatzinformation zum skalaren Fall.
Wir möchten gerne, dass der Feldindex als Spinindex interpretiert werden kann.
Dazu muss sich aber das Feld entweder mit oder mit
transformieren. Das Feld und damit auch das Feld
transformiert sich aber
mit .
Man kann dieses Problem aber beheben. Dazu verwenden wir die reelle 2-mal-2-Matrix
die wir für die folgende Definition für komplexe 2-mal-2-Matrizen verwenden
(siehe auch Kapitel 6.1 ):
(dabei ist die zu transponierte Matrix; die Definition
reproduziert auch automatisch unsere obige Definition von ),
denn mit dieser Definition gilt
und daher auch (wie wir bereits wissen)
sowie
Jetzt wissen wir auch, woher die Schreibweise stammt,
die wir schon mehrfach verwendet haben.
Aber was hilft uns das, um aus der Darstellung mit
entweder oder
zu machen? Es hilft so:
Aus folgt direkt
oder ausgeschrieben
Transponieren und komplexes Konjugieren (also hoch ) ergibt
oder umgeschrieben
Angewendet auf erhält man
Das bedeutet: Wenn sich der Spinor wie ein
Weyl-Spinor verhält (aus
wird auf der linken Seite also ),
so wird aus dem Ausdruck
der Ausdruck
(linke Seite).
Dieser Ausdruck ist wegen der obigen Gleichung aber gleich
,
d.h.
der Gesamtausdruck transformiert sich
wie ein konjugierter Weyl-Spinor, denn er wird mit multipliziert).
In diesem Sinn macht die Matrix
zusammen mit dem komplexen Konjugieren
aus einem Weyl-Spinor einen konjugierten Weyl-Spinor.
Damit ist klar, was zu tun ist: Wir müssen oben nicht nur komplex konjugieren, sondern auch noch
mit der Matrix von links multiplizieren:
Dieses Feld transformiert sich wie und hat dieselbe Fourierentwicklung mit positiven Energien,
kann also wie verwendet werden, um mit Impulsamplituden in Verbindung gebracht zu werden.
Die entsprechenden Formeln für bei positiven Energien waren (siehe oben):
Also schreiben wir für die negativen Energien:
wobei die positive Teilchenenergie ist.
Auch hier gilt wie schon bei der Klein-Gordon-Gleichung:
Was das Ganze mit Antiteilchen zu tun hat, das ist momentan noch nicht zu sehen –
man müsste sich dazu mit ladungsartigen Quantenzahlen befassen.
Immerhin haben wir aber gesehen: auch die negativen Energielösungen der Diracgleichung
lassen sich mit Impulsamplituden und damit mit physikalischen Einteilchen-Zuständen in Verbindung
bringen.
masselose Teilchen mit Spin 1/2 und die Weyl-Gleichung
Im skalaren Fall bei der Klein-Gordon-Gleichung (siehe Kapitel 4.12)
bereitet es keine Probleme, den Grenzfall masseloser Teilchen zu betrachten, denn
die Boosts werden trivial durch die Einheitsmatrix dargestellt.
Das ist bei Spin 1/2 anders: hier tritt in der Darstellungsmatrix
der Quotient auf, so dass der Grenzfall masseloser Teilchen zunächst
zu einem divergenten Ausdruck führt, nämlich zu einem Boost mit unendlicher Rapidität.
Trotzdem bereitet der Grenzfall masseloser Teilchen in der Diracgleichung selbst keine Probleme.
Man erhält
masselose Diracgleichung (Weyl-Gleichungen):
oder in den Feldern und ausgedrückt (Weyl-Gleichungen)
Man sieht, dass die beiden Felder und nicht mehr miteinander zusammenhängen.
Sie sind voneinander entkoppelt. Dafür muss aber nun jedes Feld für sich
eine eigene Gleichung erfüllen – was sie bedeutet, sehen wir gleich.
Nur solche , die die obige Gleichung erfüllen, können mit der Impulsamplitude
etwas zu tun haben!
Für die Herleitung des Transformationsgesetzes von aus der Diracgleichung
spielt es keine Rolle, wenn wir setzen
(siehe die Rechnung oben). Für und damit auch für und ergeben sich
daher aus der masselosen Diracgleichung dieselben Transformationseigenschaften
wie im Fall massiver Teilchen.
Woran liegt es, dass wir in der Diracgleichung so problemlos den masselosen Grenzfall
betrachten können?
Die Lösung ist: Man kann zwar in
nicht einfach setzen, aber in vielen Formeln, die verwenden, kann man
mit multiplizieren und so die Masse aus dem Nenner entfernen.
Dann macht der Grenzfall auf einmal Sinn.
So auch in den Formeln
die ja zur Dirac-Gleichung führten. Multipliziert man mit und setzt dann ,
so erhält man
Beide Formeln kann man noch etwas umschreiben.
So kann man die obere Gleichung schreiben als
mit .
Bringt man den zweiten Term auf die rechte Seite, dividiert durch und verwendet
wegen noch
, so erhält man
Analog geht es auch mit der unteren Gleichung. Ergebnis:
Da gleich dem Spinoperator durch 2 ist, kann man die Gleichungen so interpretieren:
Der Spin von in -Richtung ist +1/2,
der von ist -1/2 .
Aus Kapitel 4.10 wissen wir,
dass der Spin in -Richtung gerade die Helizität ist.
Wie hängen nun die Felder
und mit der Impulsamplitude zusammen?
Das hatten wir bereits in Kapitel 4.10 im Detail untersucht.
Hier noch einmal das Ergebnis:
Zusammenhang zwischen einem Feld und der Impulsamplitude in Helizitätsdarstellung:
Dabei ist die Impulsamplitude
zur Helizität , es ist
das Feld zu dieser Helizität, wobei der Feldindex durch den Spinindex
gegeben ist, und
ist das mit dem masseabhängigen Normierungsfaktor versehene Feld.
Der Boost
in z-Richtung ist wie im massiven Fall so definiert, dass er ausgehend von einem Ruheimpuls
den Viererimpuls erreicht (also
in z-Richtung auf die Energie hochboostet).
Diesen Boost müssen wir nun im Grenzfall Masse gegen Null betrachten,
d.h. die Rapidität dieses Boosts in z-Richtung geht gegen unendlich.
Das führt meist zu Divergenzen in der Boost-Darstellungsmatrix
und damit
zu einem divergenten Feld im masselosen Grenzfall.
Um im masselosen Grenzfall dennoch ein nicht-divergentes Feld zu definieren,
haben wir den
Normierungsfaktor eingefügt, der geeignet gegen Null geht, so
dass der Term
und somit auch das Feld im masselosen Grenzfall
endlich ist.
Wie sieht das nun in unserem Fall aus?
Zunächst einmal schreiben wir den Boost in z-Richtung in der Form
(siehe Kapitel 4.10).
Wie hängt die Rapidität mit der Masse für gegen Null zusammen?
Für die Boostmatrix in z-Richtung gilt:
Im masselosen Grenzfall muss dieser Vektor gegen
gehen.
Das bedeutet, dass für festes die Rapidität
gegen Unendlich gehen muss, denn damit gehen und
beide gegen .
Damit haben wir für gegen Null,
oder etwas umgestellt:
für gegen Null.
Für haben wir zwei Möglichkeiten
für die Darstellungsmatrizen und damit auch für die
Darstellungsmatrix des Boosts:
erste Fundamentaldarstellung:
zweite Fundamentaldarstellung:
Um den divergierenden Term
in diesen beiden Fällen zu neutralisieren, können wir
wählen,
denn dann ist
In der Formel oben, die das Feld und die Impulsamplitude miteinander verbindet, wird
nur die Spalte Nummer der Boostmatrix benötigt, denn dort steht der Term
Dabei steht die Helizität für die erste Spalte und
für die zweite Spalte.
Wenn wir also die erste Fundamentaldarstellung wählen,
so ist nur die erste Spalte der Boostmatrix ungleich Null,
entsprechend der Helizität .
Wenn wir dagegen die zweite Fundamentaldarstellung wählen,
so ist nur die zweite Spalte der Boostmatrix ungleich Null,
entsprechend der Helizität .
Die Felddefinition nach der obigen Formel macht daher nur Sinn,
wenn wir für die erste Fundamentaldarstellung
und für die zweite Fundamentaldarstellung
für die Feldtransformationsmatrix und damit
auch für die Boostmatrix verwenden. Die Helizität
legt damit das Transformationsverhalten des Feldes eindeutig fest.
Im massiven Fall war das anders: dort konnten wir uns wahlweise für die erste oder zweite
Fundamentaldarstellung entscheiden, wobei die beiden Felder aber voneinander abhängig waren.
Nennen wir das Feld , das sich nach der ersten
Fundamentaldarstellung transformiert und zu gehört,
analog zu oben. Das andere Feld nennen wir entsprechend .
Unsere Felddefinition lautet dann also in Matrixschreibweise:
Das ist also der gesuchte Zusammenhang zwischen den beiden Feldern und der Impulsamplitude
zur passenden Helizität. Man kann nachrechnen, dass genau so die allgemeinen Lösungen
der Weyl-Gleichungen aussehen müssen.
Zum Skalarprodukt im masselosen Fall:
Für Diracspinoren hatten wir oben das Skalarprodukt
angegeben. Darin können wir
schreiben. Da im masselosen Grenzfall die beiden Felder und
unabhängig voneinander sind,
liegt es nahe, für die Felder zwei getrennte Skalarprodukte zu definieren, wobei wir uns
auf positive Energien beschränken. Betrachten wir nur das Feld und definieren:
Einsetzen der Fourierintegrale liefert (Rechnung vollkommen analog zum Fall mit den Diracspinoren oben
bis zur Zeile vor dem Ausmultiplizieren):
Hier können wir nun das Feld durch die Impulsamplitude ausdrücken:
Genau so muss das Skalarprodukt aussehen, wenn wir es durch die Impulsamplituden ausdrücken
(vergleiche die entsprechende Formel in Kapitel 4.10, wobei wir hier
statt verwenden
und die Summe über wegfällt, da die Helizität ja festliegt).
Unsere Definition des Skalarproduktes über das Feld war also konsistent.
Natürlich könnte man nun noch weitergehen und negative Energien
im masselosen Grenzfall betrachten.
Analog zu oben ist dabei wieder
die Substitution notwendig, um zu positiven Energien zu gelangen.
Da sich dabei auch der räumliche Impuls umdreht, verwundert es nicht, dass negative Energien mit der
entgegengesetzten Helizität zusammenhängen. Das sieht man auch am Fall mit Masse größer Null:
Oben mussten wir aus das Feld
machen, um negative Energien mit Impulsamplituden
zusammenzubringen. Das Feld transformiert sich aber wie das Feld ,
das im masselosen
Grenzfall zur entgegengesetzten Helizität gehört.
Wir wollen das hier nicht weiter verfolgen.
Halten wir als Ergebnis fest:
Bei Spin 1/2 kann man auch im masselosen Grenzfall
zu Feldern übergehen, wobei man allerdings für Helizität 1/2 ein Feld benötigt,
das sich nach der ersten Fundamentaldarstellung transformiert,
und für Helizität -1/2 ein anderes Feld benötigt,
das sich nach der zweiten Fundamentaldarstellung transformiert.
Dies ergibt sich auch zwanglos aus dem masselosen Grenzfall der Diracgleichung (der Weyl-Gleichung).
Diracgleichung und Clifford-Algebren
Wir hatten oben bereits gesehen, dass wir als ein Element der Clifford-Algebra der
Raumzeit ansehen können mit der universellen Eigenschaft
mit der
Minkowski-Metrik .
Außerdem hatten wir oben die Formel für die Spin-Gruppe gesehen:
Details dazu siehe Kapitel 4.11.
Man kann versuchen, die Diracgleichung allein im Rahmen der Clifford-Algebren
oder der dazu gleichwertigen Geometrischen Algebra anschaulich zu verstehen, ohne Bezug
zu einer konkreten Matrixdarstellung zu nehmen.
Dabei wird der Diracspinor
darstellungsfrei (also ohne Matrixdarstellung für die \gamma-Matrizen) nur mit den Mitteln
der Clifford-Algebra formuliert – man spricht dann von einem
algebraischen Spinor, wobei der Begriff minimal left ideals
eine Rolle spielt. Es würde zu weit führen, hier im Detail darauf einzugehen.
Freuen wir uns stattdessen im nächsten Kapitel auf Felder für Spin 1,
bei denen es anders als bei Spin 0 oder 1/2 zu Komplikationen kommt.
Wie aus dem Nichts taucht plötzlich der Begriff der Eichtransformation auf,
alleine aufgrund unserer allgemeinen Betrachtungen über die Raum-Zeit-Symmetrie.